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Nr.614
Nordstrasse, Utbremen, Eisenbahnbrücke.
Am 8.8.1910 an Frau Anna Müller bei Herrn F. Zausen,
Berlin, Gitschinerstrasse 48.
Alb-Motiv, ohne Nr. KI-col.
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Hier blicken wir also von der
Doventhors-Contrescarpe aus (Karte Nr.723 ->
Rubrik "Innenstadt") weiter unter der Brücke
hindurch in die Nordstrasse bzw. "Nord Strasse".
Hier an der Brücke und hier östlich entlang der
Bahnstrecke endet also auch der Grünzug der
Wallanlagen (auf der 723 noch links zu sehen),
der sich lediglich südlich des
Stephanitor-Steinweges (weiterer Verlauf der
Hafenstrasse) nur noch mit einem Zipfelchen
westlich der Bahnstrecke zum Weser-Bhf hin
ausdehnt. |
Wenn
man sich an der Kartenziel-Adresse in Bereich
der Gitschinerstrasse 48 auf Streetview umschaut, dann
prägt dort das stählerne Hochbahnviadukt das
Bild, welches zur Zeit
des Kartenstempels dort seit etwa 8 Jahren
stand. Somit hat der/die VersenderIn (Text
leider kaum lesbar) sich mit dieser Brücke ein
zum Adressaten passendes Motiv ausgesucht,
womit vor allem jenes Bild von Utopia zur
Geltung kam, das seinerzeit in der
gesellschaftlichen Vorstellung von künftiger
Stadtentwicklung kursierte.
Denn mit immer höheren Wolkenkratzern in New
York, mit Eröffnung von U-Bahnen, mit immer
grösseren Ozeanlinern, welche die Weltmeere
immer luxeriöser befuhren,
seit industrieller Fliessband-Massenproduktion,
seit Eiffelturm und Riesenrädern, spätestens mit
der Eröffnung der Wuppertaler Schwebebahn 1901
sowie mit der Erfindung
von Zeppelin und Flugzeug, sah sich der Bürger
nun schon bald in einem Meer von Wolkenkratzern
mit innerstädtischen Schnellbahntrassen und mit
allerlei Zeppelin- und
Flugzeug-Flughäfen auf Hochhausdächern
wiederfinden...
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Der Begriff "Utopia" war also
stark geprägt von einem städtischen Leben,
welches in der Zukunft quasi bis über die Wolken
auf vielerlei über- und untereinanderliegenden
und somit
absolut kreuzungsfreien Verkehrswegsebenen
aufgebaut sein und stattfinden wird. Wohlmöglich
war aber auch diese Vision lediglich eine
Metapher für ein "Utopia", oder besser
"Dystopia", grundverschiedener sozialer Ebenen
des gesellschaftlichen Lebens innerhalb einer
planwirtschaftlich strukturierten und in allen
Abläufen optimierten Megametropole,
eines "Metropolis", die, trotz notwendiger
gemeinsamer Schnittpunkte und Interaktion, doch
stark voneinander getrennt und ungestört bleiben
und letztlich völlig automatisiert und
fremdbestimmt und reflexionslos ihrer eigenen
Wege gehen. Dieses Utopia charakteristisch
dargestellt und populär geprägt natürlich von
Fritz Langs Film "Metropolis" im Jahre 1927.
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Bis zum Untergang der Titanic
(hier 20 Monate später als der Kartenstempel)
und bis zum Beginn des ersten Weltkrieges mit
seinen "Stahlgewittern" galt Gusseisen und Stahl
noch
als absoluter Fortschritt, galt als Beherrschung
der Technik ansich, galt als Sieg des Menschen
über die Natur schlechthin. Ein solches Bild,
eine solche Darstellung war zu jenem
Zeitpunkt also zumindest eher positiv besetzt
und mit gesellschaftlichem Stolz auf jene
Errungenschaften verbunden, auch wenn es
natürlich schon damals ebenso Gegner solcher
Bauwerke gab, die sie als unästhetisch, weil als
"Verschandelung aufgrund von Störung von
Sichtachsen" empfanden oder schlicht als
unökonomisch einordneten. |
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Nr.607
Nordstrasse.
12.7.1908 an eine Mademoiselle in Valencia,
Espagne.
KI-nachcoloriert.
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Auch
wieder eine Karte von Alb. Rosenthal, leider
ohne Nummer, würde so schön in die Liste passen,
aber vielleicht taucht
sie später nocheinmal mit Nummer auf, denn die
353-Nordstrasse-Jutespinnerei z.B. gibt es mit
und ohne Alb-Nummer.
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Ein interessantes Detail
ist das Objekt, das sich oben in dem
Fassaden-Stuckband auf Höhe des rechten
Gartentorpfostens mit dem Deckelchen befindet.
Erst dachte ich, das sei einfach nur ein
Laub-Ausläufer des Busches links darunter, oder
ein Lappen, der da irgendwie aus dem Stuck
heraushängt, aber es wird sich wohl um eine
Katze handeln, die dort auf der Kante dieses
Säulenfensterchens (wie nennt man sowas in der
Architektur-Fachsprache?
Zierrat-Stucksims-Attika-Fassadenfacette-Bossenelement?)
sitzt. Unter der Lupe meine ich auf dem Papier
sogar zwei ganz klitzekleine helle Punkte als
die Augen ausmachen zu können. Aber das kann
auch täuschen. Jedenfalls spricht für
eine grau-schwarze Katze dort oben auch der
Umstand, dass die Frau unten ebenfalls eine
solche Formfigur auf dem Arm trägt. Ebenfalls
eine schwarze Katze? Und oben sitzt sogar
noch rechts von der Zwischenmauer eine weitere
kleine Figur auf der Kante! Noch eine Katze?
Vielleicht sind die Figuren oben aber auch feste
Dekofiguren aus Stein, Gips, Terrakotta
oder sowas. Jedenfalls scheinen die Bewohner
dieser Häuserreihe (die Frau und die Objekte
oben sind ja jeweils in Nachbarhäusern) eine
Vorliebe für die Formfiguren zu haben.
Ich habe die beiden "Skulpturen" oben mal etwas
deutlicher gesetzt / leicht markanter
hervorgehoben.
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Bei der Strassenlaterne
rechts lässt sich nicht sagen, warum der
Laternenkopf so ausgefranst weiss ist. So wirkt
es auf den ersten Blick wie eien
60er-Jahre-Peitschenlampe, aber
das kann ja nicht sein. Also ist da vielleicht
was retuschiert worden, weil vielleicht das
Sonnenlicht zu sehr spiegelte. Zumindest scheint
das Papier der Karte dort ganz ok zu sein.
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Nr.375
Hansastrasse. Am 9.9.1903 an Hanni von
Halle (cooler Name!), Remels, Offenbach.
Alb-Nr.79.
Digital in
Einzelteilen per Hand nachcoloriert.
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Die
Bahn fährt natürlich nach Gröpelingen.
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Nr.674
Schlachterei Steuber, Ecke Haferkamp,
Hausnr.79. Original Foto als AK.
ng.
KI-nachcoloriert.
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Dass
es sich hier um "Haferkamp 79" handelt, bewies
mir einst der Verkäufer mittels eines
Adressbucheintrages von 1925. Den Link habe
ich jetzt nicht mehr griffbereit.
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Heute gibt es vom
Haferkamp noch die Stichstrasse von der
Bürgermeister-Hildebrand-Strasse aus. Es muss
aber nicht zwingend jene Ecke gewesen sein,
denn der Haferkamp
war seinerzeit deutlich länger, dennoch kommt
es mit dem Knickwinkel ganz gut hin.
Hier am heutigen Haferkamp hat
jedenfalls "Oma Münster" im
Altenheim gewohnt! Das ist wohl heute so ein
Begegnungszentrum. Kann sein, dass es in den
70er Jahren noch
ein Seniorenheim oder Stift war, oder eine Art
betreutes Wohnen. Vielleicht waren es auch
einfach 1-Zimmer-Wohnungen. Auf dem Foto sieht
man vom Balkon aus noch die
Strassenbahngleise der Linie 2 im Hintergrund
verlaufen. Natürlich ist es somit nicht die
Hansestrasse sondern die
Brügermeister-Hildebrand-Str., aber Oma
Münster (genauer:
"Uroma") wohnte für mich damals eben immer
"Gegend Hansestrasse" und "Hansestrasse" fängt
ja auch mit "Ha" an, genau wie "Haferkamp" und
"Halmerweg".
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In der Hansestrasse war
ich mal beim GEBEIN, zur Trauerfeier von Tante Inge (im Bild dort
rechts im Hauseingang, links: Uropa). Muss so
Mitte der 90er gewesen sein, jedenfalls
sass ich da so im relativ vollen Saal mit
vielen, mir unbekannten Leuten, und dann kam
eine Frau rein, die mir vom Gesicht her doch
ziemlich vertraut und bekannt vorkam,
zumindest von der Trauerfeier meines Uropas
Anfang der 90er Jahre, und so hätte ich fast
durch den Saal gerufen: "Hallo Tante Inge!"
Himmel, wär mir das peinlich gewesen!
Konnte ich aber gerade noch so realisieren,
dass das nicht sein kann, aber es hatte mir
halt zeitlebens keiner erzählt, dass Tante
Inge noch eine 1:1 Zwillingsschwester hat.
D.h., es hat mir auch danach keiner erzählt,
aber anders konnte ich mir jene Wahrnehmung
nicht erklären, es sei denn, ich hatte da
schon was halluziniert. Vielleicht sahen die
Leute auch alle ähnlich aus damals und
agierten modisch, motorisch und sprachlich
ähnlich? Ich weiss es nicht mehr genau, denn
auch jene Begebenheit ist schon wieder ein
Vierteljahrhundert her! Ich erinnere mich
immerhin noch gut daran, dass der Trauerredner
sagte: "Sie war ein einfacher Mensch". Ja, das
ist wohl zutreffend. Man kann durchaus
feststellen: Generell leben in Utbremen und
Gröpelingen auch heute noch sehr viele einfache
Menschen... |
Tja, lang, lang ist
her... die Zeit reisst alles mit sich... der
Mensch sagt: "die Zeit vergeht!", die Zeit
sagt: "der Mensch vergeht!" Schon doll, dass
ich noch Menschen persönlich
gekannt und gesprochen habe, die um 1895
geboren waren! Sind nun alle schon Geschichte,
heute lebt niemand mehr, der im vorletzten
Jahrhundert geboren wurde.
Wenn ich so bedenke: Oma Münster hatte
immerhin zwei Weltkriege und die
Hyperinflation überlebt und durchgestanden.
Als die Titanic sank und der 1. Weltkrieg
ausbrach,
war sie schon erwachsen! Und mein Uropa von
ebenfalls 1895 hatte sogar noch die
Wiedervereinigung miterlebt. Meine Grosstante
ist immerhin Januar 1920 geboren, also knapp
noch 10er Jahre, hat zu Olympia 1936 an der
AVUS als Getränkeverkäuferin gejobbt und wurde
100 Jahre alt!
Eigentlich ist doch 100 erst mal richtig
erwachsen, oder? :) Aber 200 Jahre werden's
wohl nicht mehr im Menschenleben. Soweit sind
unsere Möglichkeiten - bisher - noch nicht.
Und die junge - vornehmlich deutsche -
Generation heute, starrt wie gebannt auf die
Quecksilbersäule des Thermometers und einer
von den jungen ideologischen "Hüpfern" liest
mit zitternder Stimme und unter
Schweissausbrüchen laut mit: .... plus
0,5 Grad...... plus 1 Grad.........plus 1,5
Grad..........alles Anblasen
stoppen!!!.............2 Grad........
....... plus 2,5 Grad....................Klima
ist nicht zu halten...
......!!!
Na ja, so hat jede Generation immer wieder
ihre selbstgemachten, selbstausgedachten und
selbstinszenierten existenziellen Abenteuer zu
durchleben. Ganz grosses Kino!
Eben grosses Kino für einfache Menschen
vom Haferkamp, Halmerweg und aus der
Hansestrasse...
Wäre ja auch zu langweilig sonst, all die
Jahrzehnte und Jahrhunderte hindurch... ^^
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